§. 1. Vom Orgelbau überhaupt.
Bekanntlich haben wir vom Orgelbau, deßen innere und äusere Struktur von der höchst nöthigen Durch= und Uebersicht bey einem neu verfertigten oder gänzlich zu-reparirenten Orgelwerke, ingleichen von einer razionalgleichen Stimmung, von der Wind und Zinnprobe etc. sehr wenige Schriften.
Es ist zwar erst Ao. 1792 zu Offenbach eine Beschreibung von einem Verfaßer mit D. L. E. unterzeichnet, erschienen, welche vom Bau und Untersuchung der Orgelwerke handelt, darinn vom ersten viel Schönes, von leztern aber zu wenig gesagt ist: Der Verfaßer gedenkt bey der Windprobe besonders eines Kästchen, und eines Maasstabes, womit man den Wind untersuchen solle: Ob aber dieses Kästchen und der Maasstab etliche Zolle, oder Schuhe groß seyn soll, oder was es sonst für eine Figur mache? das darf sich jeder denken. So schreibt er Seite 178 von der Temperatur und von Wölfen, wie man leztere zwar einigermaßen tod schießen, aber doch nicht gar ausrotten solle, dabey er das Monochordium ganz verwirft. Es scheint also dieser Verfaßer habe sich sehr wenig in der Razionalrechnung verstiegen, er weiß davon gar nichts, und daß unser ganzes musikalisches System, durch Rechnung und Meßen entsprungen ist, weil er das Monochordium, auf welchem das Komma ditonikum in 12 gleiche Theile, unter die 12 Quinten einer Octave vertheilt ist, verwirft und sagt, daß solches nichts zur Reinigkeit, wohl aber zum häßlichsten Wolfe beytrüge.
Da er nun nichts von diesem Kommate, noch von der Razionalrechnung versteht, so macht er, statt Rechnung , Zirkel und Maasstab, sein Gehör zum Oberrichter, und verweiset seine Wölfe, die er seinem Gehöre nach, nicht verbannen kan, ins Dis, und vermuthlich mit ins Fis, Gis und H etc. wo sie ihre Zähne um so mehr bläcken, wenn ein geschickter Mann aus diesen Tönen spielt, oder wenn eine Musik aus solchen Tönen, hauptsächlich mit blasenden Instrumenten, gemacht werden soll. Freylich läßt sich nach dem schwachen Ton einer Saite des Monochordii keine Orgelpfeife stimmen: Aber das findet doch statt, daß man ein mit Saiten bezogenes Klavier, razionalgleich darnach stimmen kan, ohne einen zähnebläckenden Wolf nur in einer Tonart, geschweige in noch mehrern zu hören: Und wenn man dieses etlichemal vornimmt, daß man fähig wird, endlich ein Klavier ohne Monochordium, razionalgleich zu stimmen, und1 diese Temperatur einmal im Kopfe ist, so kan man mit leichter Mühe die eingestrichene Octave auf der Orgel, eben also stimmen, in dem man dabey die Schwebungen, um wie viel jede Quinte abwärts schweben soll, viel bescheidener vernimmt, als das wellenförmige zittern der Säiten. Diesem allen habe ich schon vor mehrern Jahren nachgedacht, und endlich eine Stimmpfeife erfunden, auf welche die razionalgleiche Temperatur, durch Rechnung und Meßen, aufgetragen ist, nach welcher man die ein((Druckfehlerberichtigung: …die eingestrichene Octave c, (weil nach dem Monochord nur eine Octave gestimmt werden kan.)…)) und zweymal gestrichene Octave C‘ c“ stimmen kan, wenn diese gestimmt ist, so werden alle übrigen Octaven, blos nach dieser, Octaven weiß, und so fort alle übrigen Register einer Orgel, nach diesem rein gestimmten Prinzipal, oder Octave, gestimmt, wo nach denn aus einer solchcn Orgel alle Wölfe, wie aus England, verbannt sind. Von diefer Stimmpfeife gab ich schon im J. 1771 in der frankfurther Zeitung Nachricht, und im folgenden §. 23, ist die gänzliche Verfertigung derselben zu finden.
Es ist zu bedauren, daß der fürtrefliche Herr Sorge, ehemal. Organist in Lobenstein, welcher den Gipfel ber Razionalrechnnng erstiegen hatte, und der durch seinen unermüdeten Fleiß, auch noch die Höhen und Weiten der Pfeifen zu verschiedenen Orgelregistern, so wohl rund als viereckigt, berechnet und durch Zirkel und Maasstab aufgetragen hat, wovon ich seine eigenhändigen Entwürfe besitze, daß solcher sage ich, nicht auf den Einfall gekommen ist, eine Stimmpfeife darauf er seine berechnete Temperatur getragen, zur Stimmung der Orgeln, zu entwerfen.
Bey dem Baue einer neuen Orgel hat man vor allem nöthig, auf eine gut gemachte Disposition zu sehen, daher ausser einem geschickten Orgelmacher, der Meister von seiner Kunst ist, und der auf Ehre siehet, noch ein geschickter Mann, der diese Sache versteht, wenn der vorhandene Organist nicht selbst ein Verständiger vom Orgelbau ist, dazu zu nehmen wäre. Wenn nun ein berühmter Orgelmacher gewählt ist, so hat sich eine Gemeinde nicht zu fürchten, daß dieser von dem zweyten durch irgeud ein Klavier oder Instrument, werde bestochen werden, um ihm zu einem guten Akkord zu verhelfen, oder mit der Zeit, bey der Orgelprobe, die zu Schulden kommenden Fehler zu verschweigen. Denn oft sind selbst die Vorsteher von einer solchen Einnahme, die aus Kosten des Gotteehauses, oder auf den Gemeindebeutel gehen, nicht frey; sie helfen lieber einen Hümpler und Stümpler dingen, und Herrschaften, Gotteshäuser oder Gemeinden, eines Rekompenses wegen, in den größten Schaden bringen, ehe sie einen tüchtigen Mann dazu nehmen. Ja, wenn der Pfuscher und Betrüger mit seinem Orgelbaue fertig ist, sträupen sie sich, nicht nur mit dem Ansehen ihres Amtes, sondern auch mit Händen und Füßen, wider die vorzunehmende Orgelprobe. Wo bleibt aber hier die Pflicht die man Gott und der Herrschaft schuldig ist? Wo ist Treue und Glaube gegen die Gemeinde?
Die Orgel ist nicht nur eine Zierde einer Kirche, sondern ein hauptsächlich erforderliches Instrument beym Gottesdienst der Christen, weil dieser anch mit aus Gesang besteht, der durch die Orgel geleitet und geführt wird. Davon §. 3, und §. 26, noch etwas gesagt wird.
Man solte daher so gleich, bey dem Baue einer neuen Kirche, den Bedacht dahin nehmen, für die Orgel einen schicklichen Platz zu bestimmen, damit solche der ganzen Gemeinde, wo möglich im Gesichte wäre. Es ist also diejenige Bauart gewiß die Vorzüglichste, wo Altar, Kanzel und Orgel übereinander stehen können, wenn nemlich die Kirche so hoch gebauet ist.
Nächst diesem muß bey dem Bau einer neuen Orgel auf die Größe der Kirche und der dahin kommenden Gemeinde gesehen werden, damit die Orgel so stark und von so vielen Registern erbauet werde, als ihr Klang dem Gesang der Gemeinde entspricht, und die Stärke der Orgel vermögend ist, dem Gesang vorzudringen.
Auf die Lage der Blasbälge solte, bey einem neuen großen Kirchenbau, ebenfals mit gesehen werden, ob schon oft für den Platz der Orgel dabey nicht gesorgt wird, welches fürnemlich dem Baumeister der Kirche zukäme, damit solche doch nicht allzuweit von der Orgel zu liegen kämen; denn obschon nichts geschwinder ist als der Wind, der sich so gleich, nach Ausziehung eines Balges, in alle Oefnungen der Orgel begiebt; so möchte jedoch eine allzuweite Führung des Windes, von den Bälgen zu der Orgel, nicht so dienlich seyn, als eine Kürzere, welches freylich erst durch die Aerometrie müste erwiesen werden.
- Druckfehlerberichtigung: …und wenn diese Temperatur… [↩]