Mainbernheim
Gehorsamstes ProMemoria!
P.P. Es ist zwar schon mehrmalen geschehen, daß in der Ernde- und Herbstzeit zu Begünstigung der nothwendigen – und durch üble Witterung verzögerte Ernde- und HerbstGeschäfte, an Feyertagen, denen hisigen Bürgern die Erlaubnis ertheilet worden ist, solche unverschiebliche Arbeiten zu verrichten.
Weil aber, nach der hiesigen Verfassung nicht in den Mächten des zeitl. Pfarrers stehet, für sich, in dergleichen Sachen zu dispensiren; So wurde jederzeit auf Ansuchen der Bürgerschafft von Seiten der Oberdorfsherrschafftl. HErrn Schultheisen, BMstr. und Rath das Pfarramt requiriret((requirieren: hier: ersucht)), von der Kanzel herab zu verkünden, daß mit Obrigkeitl. Erlaubnus, jedermann nach seinem Belieben, Feldarbeiten verrichten dürfe.
Wenn man nun an dem leztverflossenen Petri-Pauli Feyertage, von der Bürgerschafft, ebenfalls um diese Erlaubnus angegangen worden wäre, oder man hätte sich von der unumgänglichen Nothwendigkeit an diesem Feyertage Heuzumachen, selbsten überzeugen können, oder es hätte Herr Pfarrer davon Eröffnung gemacht, so würde diese erforderl. Dispensation((Dispens, Ausnahmebewilligung)), ebenfalls, ohne allen Anstand, ertheilt worden sein.
Da aber dieselbe, Pfarrer Kirchner, eigenmächtiger Weise zu ertheilen, wider alle Vermuthung, sich unterfangen; So hat er allerdings in die Oberdorfsherrschaftl. Gerechtsame und besonders in die hiesige PolizeyGeseze einen nachtheiligen Eingriff gewagt, und man ist dahero zu Abwendung dieses Praejudizes vermäsiget gewesen, mittels Abkündung eines gegenseitigen Verbotts vom Rathaus, demselben zu contradiren((= widersprechen)), und die wider Recht und Befugnus, erlaubte Feld-Arbeit, blos dieser widerrechtl. Anmasung wegen, mit Nachdruck zu verbiethen.
Man würde es bey dieser Salvirung((= Heilung, Wiederherstellung)) diesseitiger Gerechtsame haben bewenden lassen. Da aber der unruhige Pfarrer Kirchner vermög abgehaltenen und hier beyliegenden Protocolli hierüber an denen hiesigen Hhl. Ortsvorstehern, in einer vergallten Predigt, auf das boshaffste und unanständigste sich zu rächen bemüht gewesen; und sozusagen die sämmtl. Herrn Schultheisen sowohl als den ganzen Rath überhaupt, sodann den Königl. Preusischen Herrn Schultheisen Sterzbach, wie aus dem Zusammenhang der Predigt leicht erhellt, insbesondere, öffentl. Kirchen-Buß thun lassen, sofort von diesem boshafften Mann, ohne erhaltene Zurechtweisung, eine öfftere Wiederholung dergleichen Aufführung, wohl zu befürchten wäre;
So sehen sich dieselben vermüsiget, gegen denselben Klage zu führen, und um erforderl. hinlängliche Satisfaction((= Genugtuung)) den gehorsamsten Antrag zu machen, zugleich aber auch dieser Klage noch mehrere Punkte zu zusezen, über welche man sich allerdings um so mehr zu beschweren Ursache hat, als sie wider denjenigen Recess((= Endresultat gepflegter Verhandlungen)) anstoßen, welchen Pfarrer Kirchner, mit dem hiesigen Rathhaus, bey seinem Aufzug, unterm 26. May 1785. wie bey allen vorherigen Pfarrern ebenfalls geschehen ist, errichtet hat.1.
Nach dessen 7. § ist er schuldig, alle 4. Wochen eine Betstunde, in der sonst ungebraucht stehenden St. Gumbrechts-Kirche zu halten. Er entsprach aber dieser ausdrücklichen Verbindlichkeit so wenig, daß er bey 6. Monate verstreichen ließ, ohne einmal eine Betstunde zu halten.
Man lies ihn zur fleisigern Beobachtung derselben auf das freundschafftlichste ermahnen, da es aber vergeblich war, Ihme bedeuten, daß man an seiner Besoldung, für jede ohne gegründete Ursache versäumte Betstunde, 1. fl fr.((Florenus = Gulden, fränkisch)) abziehen würde.
Als er auf beedes nicht geachtet, sondern dagegen in den anzüglichsten Ausdrücken sich gesezet; So hat man diese Drohung durch Abzug 2. fl für 2. Stunden, zwar in Erfüllung gebracht, solche aber nachhero, zu Erschöpfung aller Güte, seines Trozes ohnerachtet, Ihme wieder zurückgegeben, jedoch unter der Aeuserung, daß diese Bestrafung in Zukunfft bey abermaliger Widerstrebung um so zuverlässiger erfolgen sollte.
Einige Monate hat Er dann zwar seine Schuldigkeit gethan, aber in 11. Monaten sie wieder 5. mal unterlassen, ohne daß Er die geringste Entschuldigung anzugeben im Stande war.2.
Als Parochus absolutus et ordinarius((Parochus absolutus et ordinarius: uneingeschränkter und ordentlicher Vorsteher eines Pfarrsprengels)) hat Er das Recht und die Verbindlichkeit alle Actus parochiales((= kirchliche Handlungen)) auch in den hiesig wenig Catholischen Haushalten zu verrichten, folglich auch über die Beständer((= Inhaber, Bewohner)) des hiesigen – dem hohen condomino((condominus: Mit-Herr, vgl. condominat)) Freyherrn von Bechtolsheim eigenthümlich zustehenden Main-Fahr-Hauses. Weil solches mehrentheils mit Catholischen Beständern bewohnt war und selbige stets der hiesigen Parochie((Kirchspiel, Pfarrsprengel)) sich zu entziehen suchten; So entstunden viele Differenzien, und man mußte bemüht sein, solche immer dem hiesigen Kirchspiel zu unterwerffen. Je mehr man also Ursache hätte, auf Ausübung dieser Gerechtsame den sorgfältigsten Bedacht zu nehmen; Je weniger ist Herr Pfr. Kirchner darum bekümmert, sondern als lezthin ein im Fahrhaus verstorbenes Kind begraben worden, lies er sich behaglicher sein, unter dem Main Thor stehen zu bleiben, und den Kantor, mit denen Chor Schülern und Sing Buben, ohne seine Begleitung, allein an das kaum 100 Schritte vom Thor entlegene FahrHaus zur Abholung der Leiche zu schicken, und Ihnen sogar das Singen zu untersagen.
3.
Seit 6. Wochen unterläßt Er für die Feldfrüchte zu bethen, weil er vermutlich glaubt, bei dem erlittenen Frostschaden, seye es nun ganz unnöthig.
4.
Nach dem 3. § …….. Reverses((= Anerkennung)), soll ein zeitl. Pfarrer alle 14. Tage eine Kinder Lehre Sonntags Nachmittags halten. Weil er aber zuweilen erst in 5. Wochen Kinder Lehre hält und im Winter gar sehr wenig diese so nothwendige Amts-Pflicht ausübet; So erfolgt, da die Kinder in der Lehre der christl., Evangel. Religion sehr seicht sich finden lassen, um nicht zum gänzl. Abgang des Christenthums, den Grund zu legen, eine disfallsige Einschärfung äuserst nothwendig seye.
5.
So ist Ihme auch nach dem 18. § dieses Reverses, vorgeschrieben, die Pfarr-Schule mit Fastnacht anzufangen und bis Ostern zu schliesen, sodann die Catechumen((Teilnehmer am Vorbereitungsunterricht)) am Sonntage Quasimodogeniti zum Genuße des Heil. Abendmahls zu lassen. Heuer aber hat er sie erst am Johannis-Feyertag vorgestellet, und an Petri Pauli zur Communion gelassen, weil Er öfters mit denen Kinder Pfarr-Schulen willkührlich ausgesezt und dadurch armer Leute Kinder bey dem weiten hinaus verschiben in der nothwendigsten Zeit von der Arbeit abgehalten; Vorm Jahr aber mit äusester Mühe sich persuadiren((= überreden)) lassn, PfarrSchulen zu halten. indeme er sich anfangs deswegen geweigeret, weil nur wenige zur Confirmation angenommen werden könnten, folgl. etlicher wegen es nicht der Mühe werth seye, ohne zu Bedencken, daß, wenn sie heuer nichts lernen, sie im folgenden Jahr noch weniger Fähigkeiten zeigen könnten zur Communion zugelassen zu werden.
6.
Gehört unter die gerechten Beschwerden, daß er über die vorgeschriebene Norm, seine Gebühren zu erhöhen trachtet und mit dem Herkommen nicht zufrieden sein will, sondern z. B. für das Aufschlagen des Tauf-Buches, bey einem hiesig-Verstorbenen, eine besondere, ganz ungewöhnliche Vergütung von 3. Batzen fordern will, ohne die auffallendste Undankbarkeiten zu erwähnen, womit Raisonnable((raisonabel: vernünftig)) Zahlungen belohnt werden.
Es erprobt sich schon aus diesen wenigen Punkten, wie wenig den Herrn Pfarrer Kirchner, an Erfüllung seiner Amts-Pflichten gelegen seye, und wie laulicht es mit dem Christenthum in einer Gemeinde aussehen müße, die mit so wenigem Eyfer unterrichtet wird, wenn man noch seinen boshafften und unüberlegten Vorsaz dazu addirt, den größten Theil seiner Beicht-Kinder, auf das gröblichste und injurieuseste, aller Wohltätigkeit ohnerachtet, zu beleidigen, in Predigten auf sie die empfindlichsten Anzüglichkeiten auszugeifern, und sie dadurch aus seinen Gottesdienstlichen Handlungen zu verscheuchen und sogar vom Genuß des heiligen Abendmahls zurückzudrängen, somit also dadurch die schädlichste Lauichkeit im Christenthume zu veranlasen.Da nun, um diesen unruhigen Mann in seine gehörige Schranken zu weisen, und allem ferneren Unheil vorzubauen, eine nachdrücklichere Krafft erforderlich sein will, als welche das hiesige RathHaus in Bezug auf die Art dieses Mannes, zu vermögen scheint. So will man ein Hochwohllöbl. KastenAmt Mainbernheim ganz gehorsamlich gebethen haben, solche Mittel und Weege einzuschlagen, wodurch der gesuchte Endzweck nach allseitigen Wünschen erreicht werden möge.
Mainstockheim, den 4. July 1793
Johann Friedr. Traber im Namen sämtl. Oberdorfherrschaftl. Herren Schultheisen, BMstr und Rath dahier.