Actum Mainstockheim, den 4. Julij 1793.
In Gegenwart
Deren Oberdorfherrschaftl. Herren Schultheisen, BMstr.((= Bürgermeister)) und Rath.
Mein Actuani (?) TrabersP.P.P.P. Nachdeme der hiesige derzeitige Herr Pfarrer Johann Georg Kirchner, sich wider die hiesige Verfassung und die Ihren (?) zustehende Gebühr..- de (?), unterfangen hat, letztverwichenen Petri Pauli Feyertag((Petri Pauli Feyertag: 29. Juli, war 1793 ein Sonntag)) öffentl. von der Kanzel, nach geendigter Vormittags Predigt zu verkünden, daß die sämtl. Bürgerschafft, die Erlaubnis habe Heu zu machen und Einzuführen, somit an diesem Feyertag wercktägliche Arbeit zu verrichten, ohne disfalls nach hergebrachter Gewohnheit und Ordnung von Schultheisen BMstr und Rath entweder Erlaubnus zu solcher Publication, erhalten zu haben; So hat man zu Abwendung dieses nach der hiesigen Verfassung beträchtlichen Praejudizes((Praejudicium = Vorurteil, Vorentscheidung)) für nothwendig angesehen aus dem Rathauß, der aus der Kirche gehenden Gemeinde, verkünden zu laßen, daß Niemand bey Vermeidung 1. Rthl.((= Reichstaler)) Strafe, sich unterstehen solle, an dem Feyertag auf das Feld zu gehen und Heu zu machen. Es haben zwar sämtl. Bürger, diesem Verboth sich gefüget, und Niemand ist zur Arbeit gegangen. Nur Herr Pfarrer Kirchner hat für gut finden können, seinen Vatter, seine Frau und Dienst-Magd zum Spott und Ärgernis christl. und jüdischer Zuschauer und zum Truz oberdorffherrschafftl. Polizey-Verordnungen, auf die Wiese zu schicken und Heumachen zu lassen, den darauffolgenden Sonntag aber, mit den boshafftesten Ausdrücken in s. Früh-Predigt, zu entheiligen, in welchen Er nachfolgende persönlichen Anzüglichkeiten, vorkommen zu lassen, sich nicht gescheuet hat:
„Er selbst habe ein Königl. Preusisches Edict im
„Hause, in welchem die Arbeit an Feyertagen befoh-
„len seye. Es seye diese Erlaubnis, auch den göttl.
„Gesetzen nicht entgegen. Hier in Mainstockheim
„seye es aber nicht so, sondern man wolle lauter
„Müßiggänger und Faullenzer ziehen. Der mit gutem
„Beyspielen vorangehen solle, mahne die Leute vom
„Arbeiten selbst ab, und handle also dadurch
„schnurstracks, gegen seine Herrschafftl. Befehle.
„Weil er selbst ein Müßiggänger und Faullenzer
„seye und nichts arbeiten möge; So ernähre er sich
„auf Nebenwegen, und halte die Unterthanen vom
„Arbeiten ab.Sodann wandte Er sich gegen die Gerichts Stühle, schlug auf sein Pult, mit Ungestüm, und rief auf die Herren Schultheisen und Raths-Glieder, mit seiner gewöhnl. Heftigkeit herab:
„Ihr Herren da! Warum verbiethet Ihr denn das Kegeln
„an Feyertagen nicht? Müssiggang und Liederlichkeit
„worzu die Feyertage angewendet werden, verbiethe
„man nicht, denn man liebe selbst das Faullenzen
„und Müssiggehen. Aber das Arbeiten verbiethe man.
„Man lebe nicht im Schlaraffen-Land, wo die gebrate-
„nen Tauben in das Maul fliegen. Es heise bethe und
„arbeite. Er habe es auf seiner Seele die Leute zum
„Guten und zur Arbeit anzumahnen. Arbeitet und laßt
„Euch durch das Verbott nicht abhalten!Mit diesen und ähnlichen Ausfällen war die ganze Predigt angefüllt.
Des Nachmittags in der Betstunde übte er seine Bosheit noch weiter aus. Weil seine Nachmittags-Kirchen nicht die anziehendsten sind, so war eben nur 1. Raths-Glied in der Kirche.
Zur Beschimpfung rief Er mitten unter seinem Kirchen-Gebeth hinunten: „Buben weckt die Raths-Herren auf!“ Als er ging von der Kanzel, sagte Er zu denen Jungen: Geht hinein in die Raths-Stühle, darinnen habt ihr besser Plaz!
Aus dieser Erzählung seye nun ganz deutlich zu ersehen, daß Er nicht nur den ganzen Ehrsamen Rath und die drey Oberdorfsherrschafftl. Herrn Schultheisen überhaupt, sondern auch insbesondere den Königl. Preusischen Herrn Schultheisen Sterzbach in dem Angesichte der ganzen Kirchenversammlung, schimflich und injurieux((= beleidigend)) behandelt und heruntersezt, daß Er nicht nur in die hiesige Polizey-Verfassung, einen empfindlichen Eingriff gewagt, sondern auch sogar die Bürgerschafft von der Beobachtung des ertheilten Verbots, abzumahnen und sie zum Ungehorsam zu reizen, sich nicht gescheut habe.
Da sich Herr Pfarrer Kirchner überhaupt sehr unruhig beweist und aller bisherigen Ordnung zu widerstreben stets geneigt seye, auch sich könnt einfallen lassen inskünftige, auf gleiche Art zu handeln; So wären sie sämmtl. höchst vermüsigt gegen ein so auffallendes Betragen, Beschwerde zu führen, und um erforderl. Remedur((= Abhilfe)) allerunterthänigst und unterthänig anzusuchen.
Es wurde daher beschlossen, an die Oberdorffsherrschafftl. hochwohllöbl. Aemtern, sich diesfalls zu wenden und denenselben gegenwärttig abgehaltenes Protocollum gehorsamlich einzusenden.Actum ut supra((= gehandelt wie oben (gesagt) ))
In fidem((= für die Richtigkeit, beglaubigt))
S. Joh. Fried. Traber